Woran erkenne ich Verschwörungserzählungen?
Verschwörungsdenken zeichnet sich durch die Aufteilung der Welt in „gut“ und „böse“ aus. Widersprüche, wie der Tatsache, dass sich Menschen sowohl „gut“ als auch „böse“ verhalten können, werden ausgeblendet. Komplexe gesellschaftliche Sachverhalte werden nicht anerkannt. Verschwörungsdenken zeichnet sich auch durch den Glauben an eine globale Elite aus, die gemeinsam miteinander einen großen Plan verfolgen würde. Dieser Verschwörungsglaube bezieht sich auf die antisemitischen Verschwörungsmythen einer an- geblichen „jüdischen Weltverschwörung“ zur Planung und Umsetzung einer „Neuen Weltordnung (NWO)“.
Die Amadeu Antonio Stiftung hat einen Online- Verschwörungschecker entwickelt, bei dem anhand der Beantwortung einiger vorgegebener Fragen, eine erste Einschätzung darüber gezogen werden kann, ob es sich um eine Verschwörungserzählung handelt.
Einige zentrale Verschwörungsmythen
Der Mythos der “jüdischen Weltverschwörung” ist sehr alt und kommt ursprünglich aus dem christlichen Antijudaismus des 1. Jhds. Er diente in der Geschichte immer wieder zur Legitimation von Pogromen und Gewalt gegen jüdische Menschen, so auch bei den Nationalsozialist_innen, die damit ihren systematischen Massenmordes rechtfertigten. Bis heute stellt dieser Mythos die Grundlage jedes Verschwörungsglaubens dar, wobei von einer kleinen global vernetzen Elite aus- gegangen wird, die die Geschicke der Welt nach ihrem geheimen Plan steuern würde. Als oberster Plan wird dieser angeblichen Elite unterstellt, eine “Neue Weltordnung” herbeiführen zu wollen, um sich die gesamte Menschheit Untertan zu machen. Diese Annahme ist besonders in der extremen Rechten beliebt. In dem Sinne werden unter anderem Freimaurer_innen, Illuminat_innen oder → “Echsenmenschen” als Beweis für den vermeintlich in seiner Durchführung bestehenden Plan herangezogen. Da im Verschwörungsglauben alles mit allem zusammenhängt, wird unter anderem auch Corona oder die angebliche Kontrolle des Wetters diesem angeblichen großen Plan zugeordnet.
Der Verschwörungsmythos des “großen Austauschs” schließt hier an. Er geht von einem angeblich geheimen Plan zum Austausch der europäischen Bevölkerung durch arabische Migrant_innen aus. Dieser Verschwörungsmythos ist antisemitisch und rassistisch. Einerseits speist er sich aus dem antisemitischen Mythos eines angeblich bestehenden geheimen Plans (“jüdische Weltverschwörung”). Andererseits befördert und legitimiert er den Rassismus gegen eingewanderte Menschen. Damit stellt der “große Austausch” ein zentrales Schlagwort der Neuen Rechten und der extrem Rechten dar, wo er auch als “Umvolkung” bezeichnet wird. Die mit diesem Schlagwort her- gestellte irrationale Angst vor zugewanderten Menschen spielt eine Rolle für einen gesamt- gesellschaftlichen Rechtsruck und ist somit auch in der Mitte der Gesellschaft wirkmächtig. Anhänger_innen von Verschwörungsglaube sehen sich selbst gerne als “die Erleuchteten“, da sie über die vermeintlichen Geheimpläne und Machenschaften Bescheid wüssten. Damit wer- ten sie sich auf und stellen sich über die Mehrheit der Gesellschaft, die sie als naive und unwissende „Schlafschafe“ bezeichnen.

Eine alphabetisch geordnete Übersicht zu gängigen Verschwörungserzählungen findet sich in der der Broschüre: „Versteckte Zeichen für rechtes Gedankengut, Verschwörungserzählungen und anderen Unfug“ des mbt bremen
Coronapandemie: Pseudokritik und Querdenken
Ein typisches Merkmal für Verschwö- rungsdenken besteht darin, großen Ereignissen auch immer große Ursachen beizumessen. Das beste Beispiel dafür ist die Corona-Pandemie. Anstatt anzuerkennen, dass globale Gesundheitsfragen, wie bei Corona, auch die Wissenschaft und Politik vor Herausforderungen stellen, werden schnelle und unkomplizierte Gründe angegeben. So etwa die Verschwörungserzählung, die Pandemie sei von politischen Eliten geplant und das Virus in einem Labor gezielt gezüchtet worden.
Verschwörungsanhänger*innen, wie Menschen aus der Querdenken-Szene, bezeichnen sich selbst als besonders kritisch. Ihr Denken ist allerdings nur scheinbar kritisch. Ihre Pseudokritik blendet wissenschaftliche Fakten aus und vereinfacht komplizierte Sachverhalte. Gefährlich ist das, weil sie neben einer vereinfachten Erklärung die Schuld gesellschaftlichen Gruppen geben, die von Diskriminierung betroffen sind.
Gefahren für demokratische Werte und Anknüpfung an rechte Ideologie
Verschwörungsideologisches Denken stellt eine Gefahr für das demokratische Zusammenleben dar, weil pauschal allen politischen Machthabenden unterstellt wird, einem vermeintlich geheimen Plan zu folgen und die Mehrheit unterdrücken zu wollen. Diese verein- fachte Elitenkritik wird meistens antisemitisch erklärt, indem jüdischen Personen unterstellt wird, letztlich für diese angebliche Verschwörung verantwortlich zu sein.
Verschwörungsideologisches Denken zeichnet sich durch ein Opfer- narrativ seiner Anhängerschaft aus. Das heißt, dass sie sich selbst als unterdrückte Opfer sehen. Im Fall der Querdenken-Bewegung etwa als Opfer der behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Die Nähe der Querdenken-Bewegung zur rechten Bewegung kommt nicht von ungefähr: Neben zahlreichen personellen Überschneidungen, bestehen die ideologischen Anknüpfungspunkte eben in der Selbstdarstellung als vermeintlich gesellschaftlich Unterdrückte. (Extrem) rechte Akteur*innen stellen das “deutsche Volk“ als unterdrückte Mehrheit “im eigenen Land“ dar. Diese Sicht- weise diente schon in der Zeit des Nationalsozialismus zur Legitimation von Gewalt. Genauso legitimieren heutige rechtsterroristische Attentäter (bspw.: Halle 2019/ Hanau Jahr 2020) ihre Taten als vermeintliche Notwehr, um sich gegen ihre eigene vermeintliche Unterdrückung zu wehren.
Handeln gegen Radikalisierung
Verschwörungsideologisches Denken kann in einen Radikalisierungsprozess führen, bei dem sich die Anhängerschaft immer weiter von rationalen Erklärungen entfernt und in eine Parallelwelt flüchtet. Die letzte Stufe einer solchen Radikalisierung stellt die Anwendung von Gewalt gegen Andersdenkende oder als „Feind“ angesehene Menschen dar. Nicht jede Person, die einzelne Verschwörungserzählungen teilt oder sich der Querdenken-Bewegung nahe sieht, ist bereits komplett in dieser Parallelwelt aufgegangen. Daher ist es wichtig, Radikalisierungsprozesse frühzeitig zu erkennen. Vor allem im privaten Umfeld kann etwas erreicht werden, wofür in der Regel viel Geduld erforderlich ist.
Was kann ich tun, wenn ich Verschwörungserzählungen in meinem Umfeld erkenne?
Die Amadeu Antonio Stiftung hat acht Tipps zusammen-getragen, die dabei helfen, im privaten Umfeld mit verschwörungsideologischem Denken umzugehen: 8 Tipps zum Umgang mit Verschwörungserzählungen im privaten Umfeld